Erfahrungsbericht: So lief meine Woche ohne Plastik | Abendzeitung München

2022-09-17 12:23:15 By : Mr. lidong chen

Bitte wählen Sie die Push-Services aus, für welche Sie Benachrichtigungen erhalten möchten.

Bitte wählen Sie wegen einer technischen Umstellung die Push-Services erneut aus, für welche Sie Benachrichtigungen erhalten möchten.

Ich will jeder jederzeit top-informiert sein und die neuesten Nachrichten per Push-Meldung über den Browser erhalten.

Um Benachrichtigungen zu empfangen, ändern Sie den Benachrichtungsstatus in Ihrem Browser

München - Bayerische Flüsse sind mit Plastik belastet: Das hat ein Forschungsprojekt des Umweltministeriums ergeben. 30 bis 70 Mikroplastikpartikel pro Kubikmeter wurden durchschnittlich in den Flüssen Donau, Inn, Isar und Altmühl gefunden. Mikroplastik sind winzige Kunststoffteile. Sie entstehen durch die Zersetzung von größeren Plastikteilen, durch den Abrieb von Autoreifen auf Straßen oder durch das Waschen von synthetischer Kleidung. Hochgiftige Schadstoffe wie Pestizide lagern sich teilweise daran ab. Sogar in manchen Kosmetikprodukten findet sich Mikroplastik.

37 Kilogramm Verpackungsmüll produziert jeder Deutsche pro Jahr – sechs Kilogramm mehr als der EU-Durchschnitt. Grund genug, einen Versuch zu wagen. Klappt es, eine Woche auf Plastik zu verzichten? Im Bad, in der Arbeit, beim Einkaufen und im Haushalt war die Suche nach einem Plastik-Ersatz nicht immer einfach – mein Erfahrungsbericht:

Die Verkäuferin hinter der Käsetheke zieht die Augenbrauen hoch. Pause. "Wie? Nein, das geht nicht", sagt sie und schüttelt den Kopf. "Aber wenn...?" kriege ich noch heraus, bevor sie mich unterbricht: "Aus Hygienegründen." Dabei wollte ich nur, dass sie mir Käse in meine Box packt. Vielleicht ist sie nur deshalb so kurz angebunden, weil heute Samstag ist und neben mir noch andere Frauen auf Käse (in Plastik) warten.

Na gut, ich hab’s probiert. Aber Nudeln sollte es doch ohne Plastikverpackung geben. Von wegen: Im Regal umhüllt Plastik die Spaghetti, die Farfalle rascheln in einer glänzenden Schicht und die Penne zähmt bunt bedruckter Kunststoff. Nur eine Marke gibt es in Pappe verpackt – wäre da nicht ein Plastikfenster, damit man sieht, welche Nudeln in der Packung sind. Die Abbildungen auf der Pappbox könnten schließlich hinterlistige Täuschungen sein. Allein die bunten Tagliatelle kommen ganz ohne Plastik aus.

Viel einfacher ist es bei Obst und Gemüse. Äpfel kaufe ich lose, Bananen kommen in meine Stofftasche, Karotten und Tomaten landen ohne Tüte im Wagen. Schnell noch Milch in der Flasche und Joghurt im Glas einpacken – ab zur Kasse. Ohne Kommentar wiegt die Kassiererin alles einzeln ab. Das war einfach.

Ich beiße auf eine kleine weiße Tablette. Gänsehaut. Es fühlt sich kurz so an, als hätte ich Sand im Mund. Wieder Gänsehaut. An diese Zahnputztabletten muss ich mich wirklich noch gewöhnen. Meine normale Zahncreme ist wegen der Plastikverpackung diese Woche tabu. Kurz die neue Bambus-Zahnbürste nass gemacht und schon schrubbe ich völlig plastikfrei meine Zähne.

Auch beim Duschen hat die Suche nach einem Ersatz für Shampoo und Duschgel in der Plastikflasche so ihre Tücken: Die Lavendel-Kernseife flutscht mir immer wieder aus der Hand, knallt auf den Boden und saust durch die Duschkabine. Das wird im Laufe der Woche übrigens nicht besser.

Funktioniert genauso: Bambus-Zahnbürste, Seifen und Zahnputztabletten als Plastik-Ersatz. Funktioniert genauso: Bambus-Zahnbürste, Seifen und Zahnputztabletten als Plastik-Ersatz. Foto: Marie Sepaintner

Wenigstens die Rosenseife fürs Haar fühlt sich nach dem Auftragen fast wie richtiges Shampoo an. Und dieser Duft! Auch nach dem Selbstversuch tausche ich sie nicht wieder gegen normales Shampoo. Bis zu 70 Mal kann ich mir damit meine Haare waschen. Doch der plastikfreie Ersatz im Badezimmer hat es preislich in sich: Fast zehn Euro zahle ich für die Haarseife, vier Euro für die Zahnbürste mit Bambusgriff und Nylon-Borsten, über sieben Euro für die Zahnputztabletten. Aber ganz ehrlich: So ganz ohne Plastik – das fühlt sich gut an.

Mittags hole ich mir mit Kollegen etwas zum Mitnehmen bei einem Imbiss. Eine eigene Box habe ich leider vergessen und die Imbiss-Plastikbox will ich nicht benutzen. Bleibt nur eine Tupperbox aus der Redaktionsküche. Meine Kollegen drücken ein Auge zu. Die Tupperbox wird schließlich mehrmals verwendet und landet nicht gleich wieder im Müll.

Den Beilagensalat stellt mir die Verkäuferin aber in einer Plastikbox auf die Theke. Nein – den Salat hab’ ich ganz vergessen! Mein Kollege trägt den Störfaktor Plastik bis zur Redaktion. Damit berühre ich den Kunststoff wenigstens nicht. Macht es das besser? Ich weiß nicht. Nun habe ich wegen einer kleinen Plastikbox ein schlechtes Gewissen – vor einer Woche noch unvorstellbar.

Ansonsten ist die Woche ohne Kunststoff in der Arbeit gut zu meistern. Den Tee im Thermobecher lasse ich zu Hause, dafür kommt eine große Glasflasche mit Wasser in meinen Jutebeutel. Die ist zwar ziemlich schwer und klimpert zusammen mit dem Smoothie im Glas auf meinem Rücken, sorgt aber wieder für ein richtig positives Gefühl.

Kernseife-Späne rieseln in eine Edelstahl-Schüssel und begraben die Späne der Gallseife unter sich: Ich mische mir heute mein eigenes Waschmittel. Ein paar Tropfen Orangenöl – fertig ist das plastikfreie Waschpulver. Im Internet hätte es noch andere Anleitungen gegeben: mit Zitronensäure, Waschsoda oder sogar mit Kastanien. Zur Sicherheit packe ich die Waschmaschine nur mit meinen eigenen Klamotten voll. 48 Minuten Feinwäsche später strömt Orangenduft durch den Keller. Und die Wäsche? Wie immer. Nur nicht ganz so weich.

Für ein plastikfreies Leben von heute auf morgen braucht man vor allem: Vorbereitungszeit. Sonst steht man an Tag eins im Badezimmer und kann sich nicht mal die Zähne putzen. Ansonsten ist es leicht: Überall gibt es Alternativen, überall Lösungen. Man muss nur mehr Zeit und oft mehr Geld investieren. Für den Versuch habe ich vieles in einem Laden gekauft, der Pflegeprodukte und Lebensmittel ohne Verpackung anbietet (in München zum Beispiel der Laden "Ohne – der verpackungsfreie Supermarkt" in der Schellingstraße 42).

Mein Projekt "Plastikfrei" hat im Freundeskreis zu Diskussionen geführt, wie viel Plastik verwendet wird. Und solche Diskussionen sind ein Anfang. Ich werde in Zukunft weiterhin Obst und Gemüse einzeln abwiegen lassen, Kernseife benutzen und hin und wieder probieren, ob ich Käse oder Wurst in meine Box gepackt bekomme.

Mehr Tipps im Buch von Nadine Schubert: Noch besser leben ohne Plastik

AZ-Müll-Serie: Nach der Tonne - Das wird am Ende aus unserem Müll